Auf Instagram und in Social Media insgesamt werden wir dauernd mit folgenden Posts bombardiert: “LEBE ACHTSAM”, “LIVE IN THE MOMENT, “GLAUB AN DICH SELBST, LIEBE DICH SELBST”, “GENIEßE DAS LEBEN”, oder “MACH DIR NICHT SO VIEL DARAUS, WAS ANDERE SAGEN ODER DENKEN “. An sich sind das tolle, inspirierende Botschaften, die schön und verlockend klingeln, nicht wahr? Aber wie schafft man diese Achtsamkeit, diese Lässigkeit, diese Leichtigkeit? Besonders in dieser Zeit, wenn die Welt, so wie wir sie kennen, auf dem Kopf steht und die Meisten von uns nicht so gut damit zurechtkommen?
wo ist meine freie zeit eigentlich hin?
Ich persönlich habe nicht das Gefühl, mehr freie Zeit für mich zu haben, nur weil ich im Lockdown sitze. Es fühlt sich an, als ob manche Tage ohne die gewohnte Abwechslung und Struktur, einfach so durch die Finger durchsickern, klanglos vergehen und fade erscheinen. Am Ende dieser Tage fühle ich mich erschöpft und irgendwie leer.
Es passiert gerade zwar nicht viel, aber langweilig wird Einem auch nicht. Sachen, die wir früher “outsourced” haben, müssen wir zur Zeit selbst übernehmen. Schulunterricht, Spielpartner für Playdates suchen, die überhaupt noch aus dem Haus rausgehen oder andere besuchen dürfen, täglich Mittagessen für die ganze Family (früher mal Lunch im Büro und Mittagessen in der Schule), Training im Sportverein, Kino Date in der Stadt, Dinner mit den Mädels. All das wird jetzt selbst organisiert – es wird bekocht, bewirtet, aufgeräumt, bespaßt, getröstet, erklärt, geschlafen und am nächsten Morgen geht das Ganze wieder von vorne los. Dazu kommt bei mir die große Sorge: um die Menschen, die unter dem Lockdown und den Maßnahmen so sehr (und oft still) leiden; um meine Kinder, die ihren Hobbies nicht nachgehen können, die nicht ausgeglichen sind, die mich jetzt so viel mehr brauchen wie früher. Das ist nicht immer leicht. Das ist schwer.
Verspürt ihr auch diese Angst, diese Vorahnung, dass wir eventuell den falschen Weg eingeschlagen haben? Ist es möglich, dass es auch anders gehen könnte? Dass so viele Menschen vielleicht gerettet werden könnten, wenn im Kampf gegen Corona die Akzente anders gesetzt werden würden? Auf der anderen Seite könnte man sich auch mehr um diejenigen kümmern, die nicht durch die Krankheit selbst betroffen sind, aber durch die Tatsache, dass unser Leben sich seit einem Jahr nur und ausschließlich um die Corona-Bekämpfung dreht? Aber lassen wir die Fragen einfach so stehen – vielleicht erfahren wir irgendwann, ob die aktuellen Entscheidungen richtig oder falsch waren. Vielleicht kennen wir in Zukunft die Antworten auf manche dieser Fragen.
meine energiequellen – meine momente
Heute möchte ich euch ein paar Antworten auf andere Fragen geben. Oder besser gesagt – mit euch Ideen und meine eigenen Erfahrungen teilen, aus welchen Energiequellen ich persönlich die Kraft in der jetzigen Situation schöpfe. Vielleicht kannst du an der einen oder anderen Quelle auch deine Batterien laden?
- An allerersten Stelle schriebe ich kurz über meine Kinder. Ja, es ist anstrengend und vereinnahmt mich durch und aus. ABER: es erfüllt mich gleichzeitig mit so viel Freude und Glück, mich auf die Bedürfnisse meines Kindes so richtig einzulassen, mein Kind richtig zu sehen und es zu erleben. Ich habe sie gerade fast immer bei mir, und ich glaube, manchmal haben auch sie von der ganzen Situation “die Nase voll”. Aber insgesamt genieße ich es, bei denen und für sie zu sein. Ich kämpfe jeden Tag, damit es denen in der schwierigen Zeit gut geht. Sogar die Politik kommt uns in diesem Bereich entgegen und ermöglicht 10 zusätzliche Betreuungstage pro Elternteil, um die Kinder besser betreuen und beim Home-Schooling unterstützen zu können. Nehmt diese Tage, wenn möglich, in Anspruch.
- Vielleicht ist ein Haustier doch etwas für dich? Bis vor Kurzem dachten wir das zumindest, haben uns aber geirrt. Es ist sogar richtig in die Hose gegangen, muss ich gestehen. Die wunderschönen Bengalkatzen eine Woche lang daheim zu haben war definitiv eine prägende Erfahrung. Es sind reizvolle, zuckersüße Lebewesen, die aber das Haus und die Gewohnheiten der Mitbewohner auf den Kopf stellen. Am Ende ist die ganze Sache an der Katzenallergie meiner Tochter gescheitert . Die Kitten mussten zur Züchterin zurück und haben inzwischen hoffentlich ein neues Zuhause gefunden. Als Side Effect bin ich im Zuge des Experiments eine Spezialistin für Katzenausstattung für Design-Affine geworden. Darüber schreibe ich euch im nächsten Artikel ausführlich.
- Ich bleibe am Sport dran, und baue bewusst für mich und die Familie Bewegung im Alltag ein. Kinder haben neulich Stunt Roller und Skater Parks für sich entdeckt. Eine Tischtennis Runde auf dem Spielplatz oder an dem umfunktionierten Schreibtisch darf natürlich auch nicht fehlen. Bei uns hat sich ausserdem Joggen, Yoga und gemeinsame Trainings daheim bewehrt.
- Gehörst du auch zu denjenigen, die schon lange etwas Neues im Berufsleben ausprobieren möchten? Denke hier und jetzt über eigene Bedürfnisse nach. Ich zum Beispiel liebte immer Design, das Reisen, die Kultur, die Schönheit dieser Welt und vor Allem das Zusammen-Sein mit anderen Menschen. Diese Vorlieben in Verbindung mit meiner längst in Vergessenheit geratenen Leidenschaft für das Schreiben hat diesen Blog erschaffen. Und tatsächlich war davor nie die Zeit dafür da, um auf diese Idee zu kommen und diese in die Tat umzuwandeln. Ich möchte jedenfalls daran weiterhin wachsen und arbeiten. Hier und jetzt. Dafür, dass ich jetzt dran bin, bin ich sehr dankbar und sehr gespannt, wie sich mein “travelsweethome” – Projekt weiterentwickelt.
- Ich versuche es, mir bewusst meine persönliche Ruhemomente zu gönnen. Und das war bisher definitiv nie meine Stärke. Das wird bei jedem von uns anders sein: Bad nehmen, Musik aufdrehen und vor dem Spiegel tanzen, Kaffee trinken und die Menschen aus dem Fenster beobachten, Film schauen, bei dem ich zutiefst berührt bin und weinen muss oder vor Angst schreien muss, einfach die Zimmertür und die Augen schliessen und gedanklich im nächsten Urlaubsziel schweben. Das sind die Ruheoasen, die ich mir ab und an gönne. Es gelingt mir aber immer noch viel zu selten im Alltag – gebe ich zu.
- Die Umarmung …die Nähe … das Treffen mit guter Freundin tut man, finde ich, in dieser Zeit besonders genießen. Es wird viel gekuschelt und es werden vielleicht mehr achtsame Gespräche geführt. Umarmung ist für mich aktuell Gold wert und die zwischenmenschliche Nähe lerne ich gerade aufs Neue zu schätzen. Besonders, weil die uns derzeit doch so oft verweigert und durch Andere entzogen wird.
- Regelmäßig Dinner oder Frühstück “to go”. Wer finanziell bisher keine Einbusse hatte, kann meiner Meinung nach zumindest auf dieser Art und Weise denjenigen helfen, die schon so viel verloren haben und jeden Tag um ihre Existenz kämpfen. Wir rufen also regelmäßig bei dem tollen Kasmir-Restaurant an, und genießen das hervorragende Tikka Masala oder bestellen an anderen Tagen ein Frühstück to go aus dem tollen Mela Cafe in Echterdingen. Über die kurze Auszeit in der Küche freue ich mich dabei immer sehr!
- Es erfüllt mich mit frischer Energie und Optimismus, wenn ich anderen zuhöre, die meine Meinung und meine Sorgen teilen und es wagen, diese laut auszusprechen. Ich glaube, genau zu diesem Zweck habe ich Social Media für mich endlich entdeckt. Ich bin immer auf der Suche nach Menschen, die die verschiedenen Facetten dieser Krise sehen und es dabei versuchen, neugierig, objektiv und bodenständig, aber vor allem emphatisch allen Opfern der Pandemie und den Maßnahmen gegenüber zu bleiben.
die lehre aus 2020
Ich habe im letzten Jahr eine sehr wichtige Sache für mich gelernt: sich immer wieder daran erinnern, bei mir selbst zu sein. Öfter den Fokus auf mich, meine Psyche und meine Bedürfnisse zu richten. Nein, es ist nicht egoistisch (wie ich immer vorher dachte) – es ist zwingend notwendig, um sich selbst nicht zu verlieren, gerade in der Zeit, wo uns unsere Liebsten so viel mehr brauchen als sonst. Genau jetzt möchte ich Wege und Orte für mich finden, wo ich über mich nachdenken und mir wohltuende Kleinigkeiten gönnen kann. Ich lerne jeden Tag neu dazu – was ich brauche, was ich will und was mir nicht gut tut. Ich lerne es, in kleinen Schritten zu wachsen, um Kraft und Energie auf meine Kinder und andere Menschen, die ich liebe, auszustrahlen. Vielleicht ist es eine der wenigen positiven Sachen, die ich durch diese Krise für mich entdeckt habe. Jetzt kann ich stolz und laut sagen: “Ich will”, “ich brauche”, “das will ich nicht”. Vor einem Jahr war “sollte” und “muss” eher der in meinen Aussagen dominierende Begriff.
Energiequellen gibt es sehr viele und sie reichen (noch) für uns alle. Aber die Motivation, diese Quellen zu finden, an diesen anzudocken und daraus Energie zu schöpfen geht sicher vielen von uns langsam aus…Hoffentlich kann sich das bald wieder zum Positiven ändern.
Danke, liebe Iza, für die Inspiration, diesen Artikel zu schreiben.